100+1 Jahre LVkE
– Staatsministerin Trautner und Kardinal Marx loben Wirken des Verbandes
München, 15.06.2021 – 100+1 Jahre LVkE, das sind 100+1 Jahre Arbeit für Kinder, Jugendliche und ihre Familien. Dieser freudige Anlass konnte nun endlich, im Rahmen einer erweiterten Vorstandssitzung und unter Einhaltung strengster Corona-Regeln, gemeinsam mit hochkarätigen Ehrengästen aus Fachwelt, Politik und Kirche begangen werden.
Ursprünglich hätte dieses Event schon im letzten Jahr als 100 Jahr Feier stattfinden sollen, doch leider machte die Corona-Pandemie einen Strich durch die Rechnung. Der LVkE ließ sich jedoch nicht entmutigen und schaffte es, mit der heutigen Veranstaltung einen dem Anlass und den Umständen angemessenen Rahmen zu finden: So wurde der gesamte Tag aus der Katholischen Stiftungshochschule München live ins Internet gestreamt – eine gewaltige organisatorische und technische Herausforderung, die der Landesverband jedoch souverän zu meistern vermochte.
Michael Eibl, Vorsitzender des LVkE, bemerkte in seiner Eröffnungsrede hierzu passend: „Probleme annehmen, die Zeichen der Zeit erkennen, pragmatische Lösungen erarbeiten – das sind die Grundsätze, für die der LVkE gestern wie heute steht!“ Eibl spannte anschließend den Bogen weiter: „Es handelt sich um Prinzipien, die unser Verband in seiner 101jährigen Geschichte mehrfach erfolgreich umsetzen und an der ZUKUNFT orientiert weiterentwickeln konnte“.
Und die nahe Zukunft wird für den LVkE und die Erziehungshilfen eine Vielzahl von Herausforderungen mit sich bringen – sei es die Bewältigung der Corona-Pandemie, Digitalisierung, Fachkräftemangel, sowie die Umsetzung der SGB VIII Reform. Dr. Klaus Esser, Vorsitzender des BVkE, zeigte sich in seinem zugeschalteten Grußwort u.a. zwar erfreut über das neue Kinder- und Jugendstärkungsgesetz, mahnte zugleich aber an, dass man den eingeschlagenen Weg nun weitergehen, bzw. Systemschranken überwinden müsse.
Dr. Christian Lüders, amtierender Vorsitzender des Bayerischen Landesjugendhilfeausschusses und ehemaliger Abteilungsleiter des Deutschen Jugendinstituts in München, knüpfte in seinem anschließenden Impulsvortrag mit dem Titel „Veränderungen und Herausforderungen in der Kinder- und Jugendhilfe – Wer oder was steht im Mittelpunkt?“ an diese Themen an und benannte die Umsetzung des neuen Kinder- und Jugendstärkungsgesetzes sowie das neue Ganztagsförderungsgesetz als zentrale Aufgaben der Kinder- und Jugendhilfe. Bzgl. der Corona-Pandemie warnte der Experte zudem vor Alarmismus und dem aktuell grassierenden Begriff der „verlorenen Generation“. Lüders hierzu: „Die LVkE-Kampagne ‚Fragt doch mal uns‘ ist gerade jetzt ein wichtiger Ansatz, um Kinder und Jugendliche ernst zu nehmen, ohne abzuwerten oder zu globalisieren!“
Angesichts dieser gewaltigen Aufgaben ist es als positives Zeichen zu werten, dass der LVkE zu seinem Jubiläum vertraute und gewichtige Partner begrüßen durfte, die er auch in Zukunft an seiner Seite weiß: So nahmen an der Sitzung hochrangige Vertreter der kommunalen Spitzen, aus dem Landtag und dem Sozialministerium, und nicht zuletzt Staatsministerin Carolina Trautner persönlich an der Veranstaltung teil.
Staatsministerin Trautner, als Schirmherrin der LVkE-Jahreskampagne „Fragt doch mal uns!“ besonders eng mit dem Landesverband verknüpft, würdigte in ihrer Festansprache ausdrücklich dessen Wirken und Expertise: „Was für ein starker Partner und eine wirkungsmächtige Stimme in der bayerischen Sozialpolitik!“ In ihrer Rede bekräftigte die Staatsministerin ferner ihr Vorhaben, niedrigschwellige und gut erreichbare Angebote der Erziehungshilfe stärken zu wollen und forderte hierbei einen Schulterschluss aller Fachdisziplinen. Zuletzt lobte sie ausdrücklich das Engagement des Landesverbandes: „Junge Menschen und ihre Familien können sich auf den LVkE verlassen!“
Zentraler Punkt der Veranstaltung war eine vielfältig und hochkarätig besetzte Podiumsdiskussion zum Thema „Netzwerkarbeiten für die Kinder- und Jugendhilfe – mehr als eine Zauberformel?“, die interessante Aspekte und neue Impulse an den Tag brachte.
So formulierte Prälat Dr. Lorenz Wolf, Leiter des Katholischen Büros Bayern und seit kurzem Bundesverdienstkreuzträger, eingangs eine aufschlussreiche Definition von Netzwerkarbeit: „Netzwerkarbeit ist in aller Munde. Aber es wird erst dann ein Netzwerk, wenn man weiß, was der Partner kann.“ Somit bedeutet Netzwerken „Helfen, jemanden zu finden, der einem helfen kann. Dabei ist wichtig: ‚Was brauchst du?‘“
Verena Dietl, Münchens Dritte Bürgermeisterin, betonte in diesem Kontext, dass Netzwerke, Systeme und gegenseitiges Zuhören aktuell so bedeutend seien wie nie zuvor: „Es ist wichtig, dass bei dieser Pandemie auch Kinder und Jugendliche gehört werden!“ Daher sei sie froh, dass es in München verschiedene Gremien und Kinder- und Jugendhilfeforen gibt, wie z.B. die Ombudsstellen beim Stadtjugendamt, die sich dieser Problematik annehmen. Sie selber habe zudem schon länger eine Sprechstunde für Kinder und Jugendliche eingerichtet.
Die Miteinbeziehung der jungen Menschen ist auch für Anja Sauerer, Leiterin des Antonia-Werr-Zentrums und LVkE-Vorstandsmitglied, von entscheidender Bedeutung für erfolgreiche Netzwerkarbeit. Denn diese sei „Arbeit im Beziehungsgeflecht“, daher mit einer entsprechenden Haltung verbunden. „Die Betroffenen, die uns Anvertrauten Kinder und Jugendlichen, sind Experten. Sie müssen daher miteinbezogen werden“, so Sauerer. In ihrer Einrichtung werden daher die jungen Menschen intensiv in die Planung der Tagesabläufe und die konzeptionelle Arbeit miteinbezogen.
Amelie Mayerhofer und Luca Müller vom Landesheimrat Bayern bereicherten die Diskussionsrunde mit ihren Beiträgen und hatten auch keine Scheu, kritische Nachfragen zu stellen. So warben die beiden jungen Menschen leidenschaftlich dafür, entsprechende Gremien und Interessensvertretungen für Kinder und Jugendliche bundesweit zu installieren und betonten die Wichtigkeit von digitalen Beteiligungsmöglichkeiten als Schlüssel für gelingende Partizipation.
Staatsministerin Carolina Trautner nahm ebenfalls an der Diskussionsrunde teil und betonte die Wichtigkeit von Netzwerken auch über Ministeriumsgrenzen hinaus und in die Praxis hinein. Beim Thema „Digitalisierung“ unterstützte die Staatsministerin die Haltung des Landesheimrats Bayern und betonte die Wichtigkeit digitaler Arbeit.
Dr. Lüders schlug an dieser Stelle einen umfassenden „Digitalpakt Kinder- und Jugendhilfe“ vor. Hierbei sollte laut Lüders nicht nur erforderliche Hardware bereitgestellt werden, „sondern auch digitale Kompetenzen und die Medienkompetenz“ berücksichtigt und geschult werden – sowohl bei den jungen Menschen, als auch bei den Fachkräften.
Die gewichtigen Fachthemen, die im Rahmen des Events zur Sprache kamen, wurden immer wieder aufgelockert von kurzen Videoeinspielungen des integrativen Jugendhilfezirkus „Giovanni“ aus Bamberg. Hier präsentierten junge Menschen aus der Kinder- und Jugendhilfe spektakuläre Darbietungen und wurden ihrem Gründungsmotto „Schaut was in uns steckt!“ mehr als gerecht.
Abgerundet wurde die Jubiläumsveranstaltung von einem festlichen Gottesdienst, der in der Campuskirche der KSH von keinem Geringeren als Kardinal Reinhard Marx abgehalten wurde. Der Erzbischof von München und Freising schlug in seiner Predigt nachdenkliche Töne an und nahm eine klare Position zur Aufarbeitung der Schicksale ehemaliger Heimkinder in katholischen Einrichtungen ein: „Können wir uns vorstellen, dass Jesus Kinder geprügelt hat? Wohl kaum!“ Marx betonte daher: „Die Aufarbeitung der dunklen Seite unserer Vergangenheit ist nicht abgeschlossen, diese können wir nicht beiseiteschieben.“ Und nur wenn diese stattfinde, werde der Blick frei „für das Großartige, was geleistet wurde!“, so der Kardinal.
Der Kinder- und Jugendhilfe attestierte Marx in diesem Kontext „riesige Fortschritte in den letzten 100 Jahren“ und äußerte sich zudem lobend hinsichtlich der LVkE-Imagekampagne: „Fragt doch mal uns! – ein schönes Motto, gut und ermutigend!“ Und zuletzt: „Fragt doch mal uns! – Das ist Euer Auftrag: Solidarität mit jungen Menschen!“
Organisiert und durchgeführt wurde dieses gelungene Event vom Geschäftsstellenteam des LVkE unter der Leitung der Geschäftsführung Petra Rummel.